DDR-Zeitzeuge Roland Schreyer am Willibrord-Gymnasium

Am 20. Februar hat das Willibrord-Gymnasium bereits zum zweiten Mal einen besonderen Gast begrüßen dürfen: Roland Schreyer, ein Zeitzeuge der deutsch-deutschen Geschichte, hielt einen 90-minütigen Vortrag für die Schüler des 10. Jahrgangs. Sein Bericht schloss an das Geschichtscurriculum an, das in der 10. Klasse unter anderem die Auseinandersetzung mit der Teilung Deutschlands vorsieht, und bot den Schülern die Möglichkeit, aus erster Hand zu erfahren, wie das Leben in der DDR war.

Roland Schreyer wurde im Grenzgebiet der DDR geboren. Später zog er nach Magdeburg, wo er mit seiner Frau und seiner Tochter lebte. Die junge Familie arrangierte sich mit dem System, doch als im Jahr 1987 Reiseerleichterungen erlassen wurden, die es ermöglichten, anlassgebunden Verwandte in Westdeutschland zu besuchen, sah Familie Schreyer die Chance, den Zwängen des DDR-Regimes zu entfliehen.

Herr Schreyer beantragte folglich die Ausreise, um an den angeblichen Hochzeitsfeierlichkeiten eines Cousins teilnehmen zu können. Er kehrte allerdings nicht von seinem Kurzbesuch in Bottrop zurück zu seiner Frau und seiner damals 10-jährigen Tochter. Auf verschiedenen Wegen versuchte Herr Schreyer in den folgenden drei Monaten seine Familie aus der DDR in die BRD nachzuholen, doch es gelang ihm nicht.

In seiner Verzweiflung entwickelte Schreyer den Plan, seinen Vater, seine Frau und seine Tochter durch ein Kanalsystem in den Westen zu bringen. Rückblickend äußerte er, dass er, hätte er gewusst, dass die Mauer nur 1,5 Jahre später fallen würde, dieses große Risiko niemals eingegangen wäre – insbesondere wegen seiner Tochter.

Im Jahr 1995 hatte Herr Schreyer die Möglichkeit, seine Stasiakten einzusehen. Insgesamt 14 Aktenordner waren vom Ministerium für Staatssicherheit angelegt worden, die seine Flucht, die seiner Familie und die damit verbundenen Beobachtungen dokumentierten. Neben offiziellen Mitarbeitern gab es auch fünf inoffizielle Mitarbeiter, die der Stasi über ihn und seine Verwandtschaft Bericht erstattet hatten. Wäre Herr Schreyer bei der Flucht seiner Familie aus der DDR verhaftet worden, hätten ihm schwere Anklagen gedroht, die bis zu 12 Jahre Haft wegen Republikflucht, Menschenhandel und anderen Delikten umfasst hätten.

In seinem bewegenden Vortrag verdeutlichte Herr Schreyer die Schwierigkeiten, die die Planung einer Flucht aus der DDR mit sich brachte. Er schilderte eindrücklich, wie herausfordernd es war, überhaupt jemanden zu finden, der ein Telefon besaß, und dass offene Kommunikation über Fluchtpläne aufgrund der ständigen Überwachung durch die Stasi unmöglich war. Emotionale Momente, wie der Abschied von Familienmitgliedern, ohne ihnen mitteilen zu können, dass man sich möglicherweise nie wiedersehen würde, wurden von ihm ebenfalls nicht ausgespart.

Herr Schreyers Vortrag zeigte eindrucksvoll, was es bedeutet, in einer Diktatur zu leben und sich dem System nicht beugen zu wollen. Er schloss seinen Vortrag dann auch mit einem eindringlichen Appell an die Schüler, sich für die Demokratie einzusetzen und sich nicht den politischen Extremen zuzuwenden.

Vielen Dank für den aufschlussreichen und bewegenden Vortrag, Herr Schreyer!

(Text: Astrid Haumer, Foto: Laura Franke/Anke Szopinski)