Gewinnerin des Schreibwettbewerbs

Verratene Freundschaft

Ich habe jetzt eine neue beste Freundin“, sagte Karolin, als wäre es das Normalste auf der Welt. Maya musste schlucken. Vor ihren Augen spielten sich die vergangenen fünf Jahre ab. Alles Gute, das Lachen und auch die Tränen. Die Versprechen, die sie einander gegeben hatten und am allerwichtigsten das Versprechen, einander niemals im Stich zu lassen. „Neue beste Freundin?“, wiederholte Maya mit Tränen in den Augen. „Ja, also eigentlich schon. Keine Ahnung ich mag dich einfach nicht mehr so sehr. Ich glaube, aus diesem Grund ist es besser, eine neue beste Freundin zu haben.“ Maya fing an zu weinen. Sie wusste nicht warum es sie so mitnahm, aber eigentlich doch. Der einzige Mensch, mit dem sie ihr Leben in den vergangenen fünf Jahren  verbracht hatte, für den sie alles aufgegeben hätte,  hatte sie verlassen. Das, was niemals passieren sollte war passiert. Die Worte, vor denen sie Angst hatte, waren ausgesprochen. Alles Gute aus ihrem Herzen genommen und nur noch die Asche ihrer einstigen Gefühle zurückgelassen. „Aber ich verstehe es nicht. Du hattest doch versprochen, mich nicht auch noch alleine zu lassen.“, sagte sie verletzt. „Versprechen sind Versprechen. Es sind nur Worte. Jetzt übertreib nicht so, mein Gott!“, sagte Karolin kühl. Das traurige Mädchen wusste nicht, ob ihre beste Freundin, ach nein, ex- beste Freundin, wusste, dass sie alle ihre anderen Kontakte für die andere aufgeben hatte und jetzt in der Schule niemanden mehr hatte. Vielleicht war es ihr auch einfach egal. Ihre ex- beste Freundin, beendete das Videogespräch und jetzt stand sie vor einem schwarzen Bildschirm. Karolin war weg.

Die Leere breitete sich in Maya aus.Das Lesen war nicht gerade ihre Leidenschaft, aber an ein bestimmtes Buch konnte sie sich noch genau erinnern. Es war ein Liebesroman. Sie schrieb darüber ihre letzte Deutscharbeit. An einer Stelle trennte sich ein Pärchen nach einer langen Zeit. Es wurde als das schlimmste Gefühl der Welt beschrieben. Maya hatte es geglaubt, dass die Trennung von einer großen Liebe in einem den meisten Schmerz hervor ruft. Doch vielleicht war das nicht der Fall. Vielleicht konnte das auch bei einer freundschaftlichen Beziehung passieren. Diese Leere, diese Trauer, diese Wut. Vielleicht war ihre Beziehung zu Karolin genauso stark, wie eine Liebesbeziehung. Und es war dasselbe Gefühl, jetzt wo Karolin weg war, welches die Personen in dem Roman empfunden haben. Verlust, Verrat, Verbitterung. 

(Text: Marissa Everaats, 10a)